Das passiert, wenn man nicht auf 'zack' ist.
Jugendkulturen in der Werbung
Eine junge Frau mit Sonnenbrille, bekleidet mit einer auffällig gemusterten modischen Bluse, ein junger Mann, der seine Geldbörse aus dem Sakko hervorholt, eine Kasse und die Eintrittskarte für das Konzert eines afroamerikanischen Jazz-Musikers, das sind – voreinander arrangiert, – die Bildbestandteile einer Sparkassenwerbung von 1971. In dem dazugehörigen Text heißt es: „Weg sind die Karten, wenn man nicht auf ‚zack‘ ist. Und weg ist vielleicht auch das Mädchen, wenn man als Egoist daherkommt und ‚Sie‘ nicht mit einlädt. Besitzer eines Sparkassenbuchs kommen übrigens selten in Verlegenheit.“
Die Kreissparkasse Minden schaltete diese Werbeanzeige auf dem Innenumschlag der Schülerzeitung „Ex“ des Aufbaugymnasiums Petershagen.
Dass die Generation der Schülerinnen und Schüler 1971 längst sowohl als Konsumenten als auch als Werbeträger identifiziert worden war, zeigen nicht nur die Werbeplakate von Charles Wilp für Afri Cola, sondern auch die Werbeanzeigen von Wrangler, Lufthansa oder Marlboro. Sie machten auch vor, wie diese neue Käuferschicht anzusprechen war: mit einer zeitgemäßen Farb- und Formensprache und mit flotten Sprüchen, die an einen jugendlichen Sprachjargon anknüpften und nicht zuletzt auch mit dem saloppen „Du“ anstelle des damals in der Werbung noch üblichen „Sie“.
Dass auch das altbewährte Sparkassenbuch derart beworben wird, zeigt, wie ernst die Jugendlichen als Konsumentengruppe genommen werden. Die Werbeanzeige der Sparkasse demonstriert aber auch, dass die moderne Bildsprache und der bemüht jugendliche Sprachduktus nur ein dünner Firnis waren, von dem man überkommene Geschlechterrollen und traditionelle Verhaltensrepertoires gänzlich unberührt sah: In der Welt dieser Sparkassen-Werbeanzeige wird eine direkte Anrede vermieden, um sich durch das Duzen von (potentiellen) Kunden nicht dem Vorwurf der Unseriösität auszusetzen. In dieser Werbewelt werden Mädchen noch zu Konzerten eingeladen und Männer durch eine leere Geldbörse „in Verlegenheit“ gebracht. - Times they are changin‘?
Christiane Cantauw