Spendensammeln oder Feiern mit Glanz und Gloria?
Abschlussfeiern in der Mitte des 20. Jahrhunderts
In den 1950er und den frühen 1960er Jahren waren Schulentlassfeiern geprägt von einem hohen Grad an Akzeptanz schulischer Tradition. Die Lehrerinnen und Lehrer wurden auch zu privaten Feiern rund um das Abitur eingeladen und das Spektrum der Festformen (Festreden, Musikbeiträge, Übergabe der Zeugnisse) wurde von Jahr zu Jahr unhinterfragt übernommen. Die Schülermitverwaltung (SMV) beschränkte sich in dieser Phase noch auf die Organisation von Festen und Tanztees und nutzte ihre schülervertretende Position nicht für Veränderungen der Abiturfeierlichkeiten.
Rund um das Jahr 1968 beginnt sich die Form der Abiturfeier aber allmählich zu verändern. Als „[d]as traditionelle »bürgerliche Bildungsweihefestspiel«“ galt die Veranstaltung einer wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern als überholt, so der Geschichtswissenschaftler Torsten Gass-Bolm. Vereinzelt finden nun keine Entlassungsfeiern mehr statt: Schülerinnen und Schüler verweigerten sich aus Protest einer traditionellen Abiturfeier mit Festreden und feierlicher Zeugnisübergabe. Sie ließen sich ihre Abiturzeugnisse per Post zuschicken oder fanden sich allenfalls bereit, diese im Sekretariat abzuholen. Manch ein Direktorium oder Lehrerkollegium beschloss aber auch seinerseits keine offizielle Abiturfeier zu veranstalten: Hier überwog wohl die Angst vor Protestkundgebungen.
An manchen Schulen wurden die Feste auch umgestaltet oder zugunsten anderer Zwecke aufgegeben: Im Juni 1968 sammelten die Schülerinnen an der Marianne-Weber-Schule in Lemgo statt eines Abiturfestes beispielsweise im Rahmen einer Spendengala für vietnamesische Kinder. Daneben gab es in den späten sechziger Jahren aber durchaus auch unentschlossene Positionen rund um Abiturfeiern: Ein Beispiel dafür ist das Engelbert-Kämpfer-Gymnasium in Lemgo, wo zwar die üblichen Traditionen des Festakts kritisiert, auf der anderen Seite aber keine Neugestaltungsversuche unternommen wurden. Mittlerweile erfreut sich die prunkvolle Ausgestaltung der Abiturfeierlichkeiten wieder großen Zuspruchs. Wie es scheint, spiegelt gerade dieses Fest wie kaum ein anderes gesellschaftliche und jugendkulturelle Veränderungsprozesse.
Lea Helene Kaumanns