Verschiedene Musikanlagen und Plattencover verweisen in der Ausstellung #mehralsdagegen auf die besondere Bedeutung von Musik für die jugendkulturelle Szene in den 1960er-Jahren. (Foto: Christiane Cantauw)

Der Coesfelder Beatkeller.

Journalisten auf den Spuren der Jugendkultur

Über das Bedürfnis von Jugendlichen nach einem eigenen Raum, in dem sie Musik hören und Gleichgesinnte treffen konnten, wurde in diesem Blog schon mehrfach berichtet. Am Beispiel der Auseinandersetzungen um diese Räume lässt sich auch das teilweise konfliktträchtige Verhältnis zur Generation ihrer Eltern und Großeltern veranschaulichen. In Umfragen bemängelten die jungen Leute, dass ihre Eltern sie nicht verständen. Sie kritisierten den Anpassungsdruck der Gesellschaft und suchten Unterstützung in der Gruppe der Gleichaltrigen und in Räumen, zu denen die Älteren keinen Zugang hatten.

Einer dieser Räume war der Coesfelder Beatkeller, der sich im Keller des Kaufhauses Ernsting mitten in der Coesfelder Innenstadt befand. Der Kaufmann Kurt Ernsting hatte Mitte der 1960er Jahre einigen Jugendlichen angeboten, im Keller einen Beatkeller einzurichten, wenn diese im Vorfeld mit anpackten und den sich dort auftürmenden Schutt aus dem 2. Weltkrieg ausräumten. Das ließen sich die jungen Leute nicht zweimal sagen. Sie griffen zu Schaufel und Schubkarre und räumten die Keller aus. Der Kaufmann machte sein Versprechen wahr und richtete die Kellerräume nach den Vorstellungen der Jugendlichen ein. Laut Coesfelder Allgemeiner Zeitung strahlte der Keller mit seinen mit Sitzpolstern bezogenen Bierfässern eine „jugendmäßige, moderne Gemütlichkeit“ aus. Für eine leistungsstarke Musikanlage hatten die Jugendlichen selbst gesorgt und auch für den Auftritt der ein oder anderen Schülerband war genügend Platz vorhanden. Auch an Raum für WCs und Lagerfläche war gedacht worden.

Alkohol wurde im Beatkeller freilich nicht ausgeschenkt, das wäre nur Wasser auf die Mühlen der Kritiker gewesen, die bereits ein Sündenbabel Lemgoer Ausmaßes (vgl. unser Artikel zur Lemgoer Dachbodenparty) vermuteten und in Leserbriefen gegen die Jugendlichen wetterten.

Um die Wogen zu glätten, berichtete ein namentlich nicht genannter Journalist der Coesfelder Allgemeinen Zeitung schließlich über den Beatkeller, den er als harmlosen Treffpunkt junger Leute darstellte. Er verschaffte ihnen in seinem Artikel Gehör, indem er eine zentrale Frage der Jugendlichen formulierte: Warum „stellen sich Vertreter der ‚Älteren Generation‘ gegen diese Art der Freizeitgestaltung, wenn die den Jugendlichen Spaß macht und niemanden wirklich stört oder belästigt?“  

Der Coesfelder Beatkeller war wenige Jahre lang ein viel frequentierter Treffpunkt für Jugendliche. Ende der 1960er-Jahre stellte er seinen Betrieb ein.     

Christiane Cantauw