Auch die Interaktion mit einer Stabpuppe will gelernt und geübt sein. (Foto: Demetrios Savvides, Lemgo)

Hallo ihr Lieben!

Brief der Theaterpädagogin Karin Wedeking an die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler

Es hat mir richtig Spaß gemacht, mit euch zu arbeiten. Anfangs wart ihr richtig gut dabei und offen für das, was wohl kommen mag. Dann kam eine Phase, in der ich dachte: NEIN NEIN NEIN NEIN, sowas von unkonzentriert und laut, das kann nichts werden. Und dann kam die letzte Phase, die letzten drei Wochen, in denen sich noch einmal alles verändert hat. Ich muss euch sagen, dass ich ziemlich stolz auf euch bin. Ihr habt dieses Projekt zu einem großartigen Ende gebracht.

Wenn ihr euch mal erinnert, wie wir begonnen haben: Wir hatten ein Thema und wir wussten nicht, wohin uns das führen wird. Eine Reise ins Ungewisse, kein Textbuch, keine Rollen, vielmehr wurden Ideen entwickelt und ausprobiert.

Man fängt an und vertraut auf sich selbst und auf die Anderen, und etwas entsteht. Danke, dass ihr uns vertraut habt. Das, was entstanden ist, ist wirklich beeindruckend.

Was mich am meisten begeistert hat, ist eure Entwicklung zu sehen. Wenn ich z. B. an die Antikriegsszene denke: Wie ihr die Texte zu Beginn des Projekts gesprochen habt und wie ihr sie jetzt voller Tiefe, Selbstbewusstsein und Präzision rübergebracht habt. Ihr habt den Eindruck hinterlassen, dass ihr wisst, was ihr sagt, dass ihr meint, was ihr sagt, und dass ihr eine Haltung zum Inhalt habt, die ihr mit Ernsthaftigkeit vermittelt. Und das ist das, was die Zuschauer beeindruckt hat.

Diese Ernsthaftigkeit in eurem Tun spiegelt sich auch wunderbar in dem „Widerstandschor“ wider. Wie ihr anfangs auf der Bühne steht: 40 junge Menschen, die einen ansehen, ernsthaft und souverän! Das berührt zutiefst.

Souveränität habe ich auch in den Bewegungen gesehen. Beim Tanz, beim Mauerabbau, bei der Puppe, beim Schwarzlicht, einfach durchgängig. Man konnte keine Ängste und keine Unsicherheiten wahrnehmen. Wenn etwas nicht so gelaufen ist wie geplant, habt ihr das hervorragend gemanagt, indem ihr einfach unerschrocken weitergemacht habt, im Rhythmus und bei eurer Geschichte geblieben seid.

Das Stück ist so geworden wie es geworden ist, weil genau diese 40 bis 50 Leute es gemacht haben, so unterschiedlich sie auch sind.

Theater ist nicht nur die Kunst und das Resultat, die Aufführung. Theater machen heißt, sich auf einen kreativen Prozess mit anderen zu einem Thema einzulassen.

Dieser kreative Prozess ist auch ein gruppendynamischer Prozess. Ich muss meinem Mitspieler vertrauen können, ich muss mich auf die Gruppe verlassen können, und ich selbst muss verlässlich sein, Verantwortung für das Ganze mit übernehmen. Das bedeutet auch, dass ich meine Mitstreiterinnen überhaupt erstmal wahrnehme, wie sie sind.

So Leute, jetzt wird es Zeit für ein TSCHÜSS

Vielleicht sehen wir uns ja nochmal wieder in einem anderen Projekt in einer anderen Zeit???

... wäre mir eine Ehre

Ich wünsche euch alles Gute

Karin