Mopeds und Motorräder vergrößerten den Aktionsradius der Jugendlichen in der Provinz, Lügde 1964. Foto: Renate Brockpähler (Archiv Volkskundliche Kommission)

"Born to be wild."

Mopeds gewährten ein Stück Unabhängigkeit und Freiheit

Jedes Mal, wenn wir NachwuchsforscherInnen des Projekts #mehralsdagegen Interviews mit ZeitzeugenInnen führen, gehen wir mit der Hoffnung ins Gespräch, dass die ehemaligen SchülerInnen noch im Besitz von außergewöhnlichen Objekten sind, die man nicht in jeder Ausstellung über die 68er-Zeit erwartet. Besonders interessant wird es, wenn sich mit den Objekten persönliche Geschichten im Kontext dieser besonderen Ära gesellschaftlicher Umwälzungsprozesse verknüpfen.

Im Juni wurde uns mit einer Kreidler Florett ein besonders spannendes Ausstellungsstück in Aussicht gestellt. Mopeds, die in den Jahren 1960-1975 einen regelrechten Boom in der BRD erlebten, waren für die Jugendlichen damals keine gewöhnlichen Konsumgüter, die ihnen lediglich die Möglichkeit gaben, mobiler zu sein. Vielmehr verbanden sich die Kleinkrafträder für die – meist männlichen -  Fahrer mit einem Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit. Für den Zeitzeugen, der uns für die Ausstellung sein – wie er es nannte – „kleines Motorrad“ leiht, bot das Kraftfahrzeug die Möglichkeit, Teil der örtlichen „Rockerszene“ zu sein. Das Moped, eine Langhaarfrisur und ein spezifischer Kleidungsstil dienten außerdem dazu, sich von eher angepassten Mitschülern, die lieber Fußball spielten oder in einer Pfadfindergruppe aktiv waren, abzugrenzen. Für unseren Zeitzeugen gehörte das Moped, das er ursprünglich von seinem Vater zur Meisterung des Schulwegs geschenkt bekommen hatte, mit der „Elvis-Tolle“ sowie dem Tragen einer Jeansjacke zusammen. Um in den Besitz der Jacke zu kommen, die damals nur in den selten vorhandenen „US-Shops“ erhältlich war, nahm der damalige Schüler sogar eine Odyssee mit seinem „kleinen Motorrad“ durch das halbe Ruhrgebiet auf sich!

Wie der Kulturwissenschaftler Ulrich Hägele herausfand, manifestierten sich im Moped, insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren, neue Möglichkeiten des Anders-Sein-Wollens. Für uns ist es daher überaus erfreulich, die besondere Aura des Originals präsentieren zu dürfen. Darüber hinaus blicken wir optimistisch den Herausforderungen entgegen, die sich uns mit solch einem Fund stellen. So müssen wir uns nun neben den kreativen Fragen (Wie passt das Moped zu unserem Ausstellungskonzept? Wie genau präsentieren wir es?) auch mit organisatorischen Aufgaben wie dem Aufsetzen eines Leihvertrages oder dem Transport des Kraftfahrzeugs nach Lemgo auseinandersetzen.

Julius Virnyi